Hartz-IV-Leistungen Wurstverkäuferin auf Diät gewinnt Rechtsstreit
Wenn Geringverdiener Aufstockerleistungen vom Jobcenter erhalten, müssen sie sich die Pausenverpflegung des Arbeitgebers nicht pauschal anrechnen lassen. Das gilt jedenfalls, wenn eine Wurstverkäuferin die fleischlastige Kost aus gesundheitlichen Gründen gar nicht essen darf. Das entschied das Sozialgericht Berlin in einem am Donnerstag bekanntgegebenen Urteil (Aktenzeichen S 175 AS 15482/14)
Die Klägerin, 44 Jahre alt, arbeitete 2013 als Verkäuferin in einer Fleischerei in Berlin. Weil ihr Einkommen von monatlich rund tausend Euro für sie und ihr Kind nicht ausreichte, erhielt sie sogenannte Aufstockerleistungen. Bei der Berechnung berücksichtigte das Jobcenter nicht nur den regulären Lohn, sondern auch monatlich 35 bis 50 Euro für die Pausenverpflegung, die die Fleischerei ihren Mitarbeitern kostenlos zur Verfügung stellte.
Dagegen klagte die Verkäuferin. Aus gesundheitlichen Gründen habe sie eine Diät machen müssen. Die Pausenverpflegung habe aber überwiegend aus Fleisch, Wurst und Salaten mit Mayonnaise bestanden. Das habe sie gar nicht essen dürfen und tatsächlich auch nicht gegessen.
Das Sozialgericht Berlin gab ihr nun recht. Begründung: Nach derzeitiger Verordnungslage sei die Pausenverpflegung zwar anzurechnen gewesen, was aber mit höherrangigem Recht nicht vereinbar sei. Die Hartz-IV-Regelleistung sei bewusst als Pauschale gestaltet und eine Kürzung nach individuellen Umständen gesetzlich nicht vorgesehen.
Das Firmenessen dürfe nicht zu einem reduzierten Regelbedarf führen, urteilten die Sozialrichter - erst recht, wenn nichts davon angerührt werde. Die Frau habe abgenommen und sehr auf eine fettarme Ernährung geachtet.
Selbst wenn die Vorschrift grundsätzlich wirksam sei, dürfe sie nicht immer angewendet werden, entschied das Gericht. Das Jobcenter müsse es respektieren, "wenn Leistungsempfänger auf angebotene Verpflegung verzichteten, zum Beispiel aufgrund religiöser Speisevorschriften, aus gesundheitlichen oder ethisch-moralischen Gründen". Andernfalls würden Selbstbestimmungsrecht und Handlungsfreiheit der Hartz-IV-Empfänger verletzt.