Sozialrechtliche Sanktionen – Was können Sie dagegen tun?
Beim Arbeitslosengeld II (Hartz 4) gibt es bei Pflichtverletzungen im Gegensatz zur früheren Arbeitslosenhilfe keine Sperrzeiten mehr, sondern Kürzungen und Streichungen Ihrer Leistung. Diese sind unterschiedlich je nach dem Alter des Leistungsberechtigten. Am härtesten sind die Sanktionen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren.
Sozialrechtliche Sanktionen bei Personen über 25 Jahre
Es gibt verschiedene Stufen von sozialrechtlichen Sanktionen. Eine Kürzung oder Streichung dauert, egal auf welcher Stufe, immer drei Monate.
Der Regelsatz wird um 30% gekürzt, wenn Sie
- eine in der Eingliederungsvereinbarung oder im Eingliederungsverwaltungsakt festgelegte Pflicht nicht erfüllen,
- sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit oder eine geförderte Arbeitsstelle „aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch Ihr Verhalten verhindern“,
- eine zumutbare Eingliederungsmaßnahme „nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben“ (§ 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II).
Wenn Sie Innerhalb eines Jahres nach Beginn einer Sanktion zum zweiten Mal eine der oben genannten Verstöße begehen, wird der Regelsatz um 60% gekürzt (§ 31a Abs. 1 Satz 2 SGB II).
Wenn Sie dann zum dritten Mal gegen eine der oben genannten Auflagen verstoßen, wird der Regelsatz um 100% gekürzt, d.h. Sie erhalten kein Hartz 4 mehr (§ 31a Abs. 1 Satz 3 SGB II).
Sozialrechtliche Sanktionen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren
Die Sanktionen bei Personen unter 25 Jahren sind wesentlich härter.
Schon bei einem ersten Verstoß wird der Regelsatz komplett auf Null gekürzt und auch Mehrbedarfszuschläge für Schwangere, Alleinerziehende oder Krankenkost und alle anderen Ansprüche auf einmalige Leistung gestrichen (§ 31a Abs. 2 Satz 1 SGB II). Das Einzige, was Sie noch bekommen, sind Leistungen für Unterkunft und Heizung, die aber von der Behörde direkt an den Vermieter, Energieversorger oder andere Empfangsberechtige, z.B. die Eltern, überwiesen werden können.
Bei einem zweiten Verstoß innerhalb eines Jahres nach Beginn einer Sanktion werden Ihnen sogar die Leistungen für Unterkunft und Heizung gestrichen.
Bei Meldeverstößen, d.h. wenn Sie sich ohne „wichtigen Grund“ und „trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis“ nicht bei Ihrem Jobcenter melden oder nicht zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin erscheinen, bekommen Sie 10% weniger vom Regelsatz (§ 32 Abs. 1 SGB II). Dies gilt für alle Person, egal ob sie über oder unter 25 Jahre alt sind.
Eine Eingliederungsvereinbarung ist ein Vertrag, den man nicht unterschreiben muss. Sie haben immer das Recht, einen Alternativvorschlag vorzulegen. Wenn das Jobcenter darauf nicht eingeht und Sie nicht unterschreiben, wird es einen Eingliederungsverwaltungsakt erlassen – gegen den können Sie dann Widerspruch erheben.
Wann und wie haben Sie den Bescheid über die Sanktion erhalten?
Der Sanktionsbescheid muss innerhalb von höchstens sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung erlassen werden.
Eine Sanktion, also die Kürzung oder Streichung Ihrer Hartz 4-Leistung, beginnt immer mit dem Monat, der dem Monat nachfolgt, in dem Ihnen der Sanktionsbescheid zugeht. Zugehen heißt, dass Ihnen der Bescheid mit Zustellung bekannt wird.
Wurden Sie vorher über die Folgen eines Verstoßes belehrt?
Eine weitere Voraussetzung für eine Kürzung oder Streichung der Leistung ist, dass Sie zeitlich vor der Sanktion in schriftlicher, bei Bedarf zusätzlich in mündlicher Form über die Rechtsfolgen belehrt wurden oder dass Sie Kenntnis der Rechtsfolgen hatten (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Belehrung heißt: Es muss Ihnen „konkret, verständlich, richtig und vollständig“ erklärt werden, was von Ihnen verlangt wird und welche Auswirkungen ein Verstoß für Sie haben kann (BSG 15.12.2010 – B 14 AS 92/09 R, abrufbar unter http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art= en&Datum=2010-12&nr=11917&pos=2&anz=10).
Wenn Sie dagegen z.B. nur auf eine allgemeine Beschreibung der Rechtsfolgen in der Eingliederungsvereinbarung verwiesen werden oder man Ihnen bei Leistungsbeginn eine abstrakte Infobroschüre mitgibt, ist das meist keine ausreichende Belehrung (BSG 18.02.2010 – B 14 AS 53/08 R, SG Landshut 16.08.2011 – S 10 AS 536/11 ER). Sie müssen „positive, aktuelle Kenntnis haben, welche konkreten Folgen eine Pflichtverletzung hat (Berlit 2011, 55, abrufbar unter http://www.info-also.nomos.de/fileadmin/infoalso/ doc/Aufsatz_infoalso_11_02.pdf).
Wurden Sie vor Erlass des Sanktionsbescheides angehört?
Vor dem Erlass des Sanktionsbescheides müssen Sie immer angehört werden. Das heißt: Sie müssen die Möglichkeit bekommen, sich zu Ihrer Pflichtverletzung zu äußern. Geschieht dies nicht, ist der Bescheid rechtswidrig. Sie können dann Widerspruch dagegen erheben und bis zu einem Jahr rückwirkend mit einem Nachprüfungsantrag gegen den Bescheid vorgehen.
Was passiert bei mehreren zeitgleichen Pflichtverletzungen?
Bei mehreren zeitgleichen Pflichtverletzungen darf das Jobcenter Ihre Leistung trotzdem nur einmal kürzen. Erneute Kürzungen in der nächsten Stufe können erst erfolgen, wenn wegen des vorherigen Verstoßes bereits ein Sanktionsbescheid erlassen worden ist (BSG 09.11.2010 – B 4 AS 27/10 R, abrufbar unter http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2010&nr=11864&pos=5&anz=262).
Wie können Sie sich gegen den Sanktionsbescheid wehren, wenn Sie nicht „einfach so“, sondern aus einem bestimmten Grund gegen ihn verstoßen haben?
Eine Sanktion ist immer rechtswidrig, wenn Sie einen wichtigen Grund für Ihr Verhalten hatten. Wichtig: Sie müssen diesen Grund nachweisen können.
Beispiele für einen „wichtigen Grund“:
- Die Bezahlung für den Job war sittenwidrig.
- Die Maßnahme war unzumutbar.
- Es wurden überzogene Bewerbungsbemühungen von Ihnen verlangt.
Es gibt darüber hinaus viele weitere Gründe, die einen Verstoß rechtfertigen können. Die Kürzung des ALG II ist dann rechtswidrig.
Bei der dritten Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres wird das gesamte Hartz 4 um 100% gekürzt. Das heißt, Sie bekommen für drei Monate gar keine sozialrechtliche Leistung mehr, auch keine Leistungen für Heizung und Unterkunft, keinen Mehrbedarf und keine Krankenversicherungsbeiträge.