Auch als Selbständiger haben Sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Hartz 4)

Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II sind „nur“ die Erwerbsfähigkeit und die Hilfebedürftigkeit einer Person. Das heißt, auch wenn Sie selbständig sind, Ihr Einkommen und Vermögen aber für Ihren Lebensunterhalt nicht ausreicht, können Sie als „Aufstocker“ genau wie Lohnabhängige ergänzend Hartz 4 in Anspruch nehmen.

Als Selbständige/r haben Sie keine regelmäßigen und konstanten Einnahmen wie Lohnabhängige, vielmehr sind Ihre Einnahmen von Monat zu Monat unterschiedlich. Wie wird Ihr Einkommen also vom Jobcenter auch für die nächsten Monate berechnet?

Zunächst wird Ihr voraussichtlicher Betriebsgewinn (Erwerbseinkommen) in der Regel für den Bewilligungszeitraum von sechs Monaten geschätzt (§ 3 Abs. 1 Alg II-V). Das heißt, es wird anhand von monatlichen Durchschnittseinnahmen und -ausgaben vorläufig über die Höhe Ihrer Sozialleistung entschieden. Ausnahmsweise – nämlich dann, wenn sie stark schwankende Einnahmen haben – kann der Berechnungszeitraum auch zwölf Monate betragen (LSG Rheinland-Pfalz 19.12.2012 – L 6 AS 611/11, abrufbar unter https://www.jurion.de/urteile/lsg-rheinland-pfalz/2012-12-19/l-6-as-611_11/).

Die Schätzung erfolgt auf der Grundlage Ihrer Angaben im Formular „Angaben zum voraussichtlichen Einkommen aus selbständiger Tätigkeit“ (Vordruck EKS = Einkommen aus Selbständigkeit). Hier müssen Sie Ihr voraussichtliches Einkommen plausibel darlegen (Bundesagentur für Arbeit, Fachliche Weisungen §§ 11-11b SGB II, 11.43, abrufbar unter http://harald-thome.de/fa/harald-thome/files/sgb-ii-hinweise/FH-11—18.08.2016.pdf).

Folgende Unterlagen können außerdem herangezogen werden:

  • nachgewiesene Einnahmen und Ausgaben des vorangegangen Bewilligungszeitraums bzw. der vorangegangen sechs bzw. zwölf Monate,
  • die Einnahme-/Überschussrechnung des Vorjahres, und
  • aktuelle betriebswirtschaftliche Auswertungen.

Tipp: Es ist immer schwierig, Einnahmen für die Zukunft zu schätzen. Seien Sie deshalb beim Stellen zukünftiger Gewinnprognosen zurückhaltend (Jäger/Thomé, Leitfaden ALG II/Sozialhilfe, 396).

Erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraums wird anhand des von Ihnen nachgewiesenen tatsächlichen Gewinns eine abschließende Entscheidung getroffen. War der Gewinn höher als Ihre Schätzung, darf die Behörde Leistungen zurückfordern. War der Gewinn niedriger, muss die Behörde Ihnen das Ihnen zustehende ALG II nachzahlen. Sie sollten in diesem Fall eine abschließende Entscheidung bei der Behörde beantragen (§ 41 Abs. 3 Satz 1 SGB II).

Tipp: Sie müssen nach Ablauf des Bewilligungszeitraums die Belege für Ihre Einnahmen und Ausgaben der Behörde vorlegen. Machen Sie das nicht oder nicht rechtzeitig, kann das Jobcenter Ihnen automatisch Leistungen zurückfordern. Achten Sie also darauf, dass Sie alle wichtigen Belege und Nachweise rechtzeitig einreichen.

Anhand der von Ihnen beschriebenen und nachgewiesenen Einnahmen und Ausgaben wird Ihr betrieblicher Gewinn ermittelt.

Zu den Betriebseinnahmen zählen unter anderem:

  • Ihr Betriebsumsatz,
  • betriebliche Zinseinnahmen,
  • einbehaltene oder vom Finanzamt zurückerstattete Umsatzsteuer,
  • betriebliche Einlagen,
  • zurückerstattete Betriebsausgaben,
  • Entnahmen von Geld, Waren usw. für sich oder Ihren Haushalt,
  • Privatanteile für die Nutzung von Betriebsmitteln (z.B. private Telefon- oder Kfz-Nutzung).

Betriebsausgaben sind:

  • „notwendige“ betriebliche Aufwendungen, z.B. Material-, Personal-, Werbungskosten, Investitionen, Weiterbildung, Kosten für Steuerberater etc. (Sie müssen hierüber einen Nachweis erbringen),
  • tatsächlich geleistete notwendige Kfz-Kosten (bei überwiegend betrieblich genutztem Kfz), oder
  • 10 Cent für jeden gefahrenen Kilometer für nachgewiesene betriebliche Fahrten bzw. Ihre tatsächlichen Kosten, wenn Sie ein lückenloses Fahrtenbuch haben (bei überwiegend privat genutztem Kfz),
  • Vorauszahlungen und Nachzahlungen von Umsatzsteuer.

Tipp: Erklären Sie Ihrem Ansprechpartner im Jobcenter von sich aus (am besten schriftlich), dass die vorgesehenen Ausgaben für Ihren Betrieb notwendig sind. Zeigen Sie, dass die Aufwendungen aus Ihrer Sicht weder ganz noch teilweise vermeidbar sind und in einem angemessenen Verhältnis zu Ihren Erträgen stehen.

Tipp: Wenn Sie ein vollständiges, lückenloses Fahrtenbuch vorweisen können, werden auch bei einem privaten Fahrzeug nicht nur 10 Cent für jeden Kilometer, den Sie das Fahrzeug betrieblich nutzen, sondern Ihre tatsächlichen Kosten für betriebliche Fahrten als Ausgaben angesetzt (Bundesagentur für Arbeit, Fachliche Weisungen §§ 11-11b SGB II, 11.34, abrufbar unter http://harald-thome.de/fa/harald-thome/files/sgb-ii-hinweise/FH-11—18.08.2016.pdf). Dokumentieren Sie also Ihre Fahrten und die aufgewendeten Kosten genau!

Nachdem Ihr betrieblicher Gewinn ermittelt wurde, muss Ihr Bruttoeinkommen bereinigt werden. Abzuziehen sind davon unter anderem:

  • Steuern,
  • Beiträge zur Sozialversicherung,
  • Fahrten zur Betriebsstätte,
  • Private Versicherung,
  • Altersvorsorge,
  • Verpflegung bei längerer Abwesenheit vom Wohn- und Arbeitsort, und
  • Unterhaltsverpflichtungen.

Wenn die Summe dieser Beträge über 100€ liegt (Grundfreibetrag) und Ihre monatlichen Betriebseinnahmen höher als 400€ sind, können Sie die Beträge in tatsächlicher Höhe vom Einkommen absetzen.

Beachten Sie: Notwendige Betriebsausgaben (s.o.) sind dagegen immer in tatsächlicher Höhe von den Einnahmen abzuziehen. Die Grenze von 400€ gilt nicht für die Gewinnermittlung, sondern für die Bereinigung des ermittelten Erwerbseinkommens (BSG 05.06.2014 – B 4 AS 31/13 R, abrufbar unter https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=173199).